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// Einführung ins Thema.
Ich möchte heute mit einer Reihe beginnen, die uns über das ganze Jahr begleiten soll und in regelmäßigen Abständen von Waldemar und mir Gegenstand der Predigten sein wird.
Es geht dabei aber nicht nur um das Studium des Bibeltextes, es geht uns um einen Prozess, der durch die Predigten und den Text aus Epheser 4 in Gang gesetzt werden soll.
Zunächst wollen wir auf den Text hören und ich bitte jeden dem es möglich ist dazu aufzustehen.
Epheser 4:1-3
«Nun bitte ich euch als einer, der für den Herrn im Gefängnis ist: Lebt so, wie es sich für Menschen gehört, die Gott in seine Gemeinde berufen hat. Erhebt euch nicht über andere, sondern seid immer freundlich. Habt Geduld und sucht in Liebe miteinander auszukommen. Bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren, die der Geist Gottes euch geschenkt hat. Der Frieden, der von Gott kommt, soll euch alle miteinander verbinden!
Der Text den wir gerade gehört haben, ist überschrieben mit:
DAS NEUE LEBEN AUS DER GNADE (Kapitel 4–6) und
DIE EINHEIT DER KIRCHE (Kapitel 4)
Paulus greift hier in seinem Brief etwas auf, das wir gut und gerne als “Kern” der Gemeinde Christi verstehen können. Hieraus erfahren wir woraus das Fundament einer jeden christlichen Gemeinde gemacht ist, oder besser gemacht sein sollte. Paulus richtet diesen Brief an die Gemeinde in Ephesus, Kollosä und möglicherweise auch Phillipi. Auch der Brief an Philemon weist starke Ähnlichkeiten auf. Dies läßt insgesamt vermuten, dass wir hier eine Art Rundschreiben vor Augen haben, was aber die Bedeutung des oder besser der Briefe eher verstärkt.
Um eine bessere Vorstellung der Gegend um Ephesus zu bekommen möchte ich aus dem Bibellexikon zitieren:
«Eine berühmte Stadt in Ionien. Sie war zur Zeit der Römer die Hauptstadt der Provinz Asien, welche den westlichen Teil Kleinasiens einnahm. Da sie nahe am Meer lag, war sie ein großer Handelsumschlagplatz. Als Provinzhauptstadt hatte sie regen Geschäftsverkehr mit den umliegenden Städten. Der berühmte Tempel der Diana zog große Mengen von Heiden an. Ihre Einwohner waren vermutlich griechischen Ursprungs, mit einer großen Anzahl Handel treibender Juden (Apg 18,19-24; 19,1.17.26.35; 20,16.17; 1. Kor 15,32; 16,8; Eph 1,1; 1. Tim 1,3; 2. Tim 1,18; 1. Tim 4,12; Off 1,11; 2,1). Die ausgedehnten Ruinen von Ephesus befinden sich in der Nähe der heutigen Stadt Selçuk und sind eine beliebte Touristenattraktion.»
Soviel zur geografischen Einordnung von Ephesus.
Zunächst wollen wir uns dem Kapitel 4 näher widmen. Die Überschrift zu den Kapiteln 4-6 bzw. das was dahinter steckt, ist grundlegende Vorraussetzung ohne die wir die Einheit der Kirche gar nicht erreichen könnten. Was ist aber diese Vorraussetzung?
Um dem etwas näher zu kommen, müssen wir den Brief im ganzen sehen. Zunächst wissen wir, dass Paulus ihn aus der Gefangenschaft geschrieben hat. Wo er eingesperrt war, ist nicht gesichert, aber es war ihm möglich zu missionieren und offenbar waren einige Mitarbeiter vor Ort, die ihm halfen. Zu ihnen zählten wohl Timotheus, Epaphras, Aristarchus, Markus und Lukas. Es handelte sich anscheinend um einen offenen Strafvollzug, der Paulus einige Freiheiten ließ.
Hier finden wir aber auch schon einen ersten Hinweis auf die Art wie Gott uns beauftragt und wie wir handel können. Paulus hätte ja auch den Kopf in den Sand stecken können, Weh klagen und laut um Hilfe rufen. Das tat er nicht, sondern benutzte sogar seine besondere Lage, um andere zu ermutigen es ihm nachzutun.
Ich möchte diesen Gedanken noch etwas anders formulieren.
Nicht immer ist das Bett das uns Gott aufgeschüttelt hat weich und flauschig, nicht immer rennen wir offene Türen ein und schon gar nicht sind immer alle unserer Meinung.
Und dennoch stehen wir genau an der Stelle an die uns Gott berufen hat. Paulus ist das perfekte Beispiel, schon deshalb ist seine Aufforderung es ihm nachzutun ein besonderer Anspruch. Er war wie ihr wißt der Christenverfolger, extrem erfolgreich, bekam er auch die entsprechende Anerkennung und Ehrung.
Nun kommt dieser Jesus, der eigentlich schon Geschichte war und öffnet ihm die Augen, im wahrsten Sinne des Wortes. Vielleicht kennen wir das ebenfalls, ist das so?
Paulus ist weiter gegangen, er hat seine Aufgabe angenommen und mit derselben Zähigkeit, wie er Christen verfolgt hat, begann er nun Menschen vom Evangelium zu erzählen und Einfluß auf die Entwicklung der wie aus dem Boden sprießenden neuen Gemeinden zu nehmen.
In Vers 1 unterstellt Paulus, dass die Menschen in den Gemeinden von Gott berufen wurden. Es ist hier nicht von einer bestimmten Gemeinde die Rede, sondern von der Gemeinde Gottes. Das ist für mich von der Seite her interessant, weil wir schon sehr genau darauf achten, welcher Gemeinde wir uns anschließen. Da scheint es wohl doch feine oder auch gravierende Unterschiede zwischen den Gemeinden zu geben.
Warum das so ist, habe ich noch nie verstanden und anscheinend ist dieses Problem auch nicht wirklich lösbar. Die Frage muss dennoch gestattet sein; warum gönnen wir uns eigentlich diesen Luxus dieser vielen unterschiedlichen Ausprägungen und was spricht dafür oder dagegen? Ich spreche hier nur von christlichen Glaubenrichtungen.
Ja natürlich gab es schon immer diese Unterschiede, so lesen wir von Zeloten, Pharisäern, Essenern und Sadduzäern. Doch traf Jesus auf Vertreter dieser Relegionsparteien, behandelte er sie alle gleich, wie Menschen, machte keinen Unterschied. Auch Paulus unterstützt die Einheit aller Christen in der Gemeinde Gottes, wie wir aus diesem aber aus dem Korintherbrief erfahren.
Die Berufung eines Menschen in die Gemeinde Gottes, ist der Ruf auf einen Weg, der geradewegs auf das Ziel zuführt, um den Siegespreis zu gewinnen. Und dieser Preis ist das ewige Leben, zu dem Gott den Menschen durch Jesus Christus berufen hat. Die Gemeinde vor Ort ist daher nur Mittel zum Zweck, für Menschen die sich zusammengefunden haben, um gemeinsam diesen Weg der Berufung zu gehen. Alle Menschen auf diesem Weg gehören aber nur einer Gemeinde an und das ist die Gemeinde Gottes.
Der gefangene Paulus zeigt, dass dieser Weg eben nicht so zu verstehen ist, wie der Feldweg draußen vor der Tür. Dieser Weg steht für Fortbewegung der nichtkörperlichen Art und Verlauf. Wir springen also nicht auf den Weg auf und sind da, sondern wir folgen ihm im Vertrauen auf Gott, dass er uns dorthin führt, an das Ziel das Gott uns versprochen hat. Und am Ende steht das Siegertreppchen, wie wir es sinngemäß gerade aus Phil. 3, 14 gehört haben, auf dem es den Preis also das ewige Leben gibt.
Und jeder der schon mal eine größere Reise gemacht hat, kann so allerhand davon erzählen, was er dort erlebt hat und wie es ihm erging. Die Reise auf dem Weg Gottes, das müßt ihr euch jetzt mal konkret vorstellen liebe Geschwister, ist die größte Reise eures Lebens, da ist die Kreuzfahrt einmal um die Welt wie ein Ausflug auf dem Gondelteich.
Paulus Gefangenschaft ist aus vielerlei Sicht bemerkenswert. Lesen wir dazu aus Eph. 6, 20:
«Auch jetzt im Gefängnis bin ich ein Botschafter in ihrem Dienst. Betet darum, dass ich aus ihr die Kraft gewinne, sie mutig und offen zu verkünden, wie es mein Auftrag ist.»
Salopp formuliert könnte man auch sagen, dass Paulus seine Aufgabe versucht anzunehmen, auch wenn der Weg unbequem wird. Wir bewegen uns auf dem Weg Gottes, wie Steine in einem Fluss, es geht manchmal nicht wirklich voran, manchmal werden wir von einer Welle mitgerissen aber immer schleifen wir uns ab, werden unsere Kanten immer glatter.
Wer dieses Bild versteht, versteht auch dass es nur schwer festzustellen ist, ob wir richtig “laufen” auf unserem Weg, auch läßt sich die geschaffte Distanz nur sehr schwer messen. Wir können auf einer sehr langer Strecke uns kaum verändert haben, aber nach einem kurzen Stück sind wir kaum wieder zu erkennen.
Was bedeutet das?
Es ist die Essenz der ersten Überschrift: “Das Neue Leben aus der Gnade”. Alles beginnt damit, dass Gott uns ruft. Ganz praktisch sieht das so aus, dass wir zu fragen beginnen wer Gott ist, was es mit ihm auf sich hat und was sich hinter seinem Angebot verbirgt. Gehen wir diesen Schritt weiter merken wir, dass vieles in unserem alten Leben falsch gelaufen ist. Wer sich dann dazu entschließt an Jesus zu glauben und ihm die Führung in seinem Leben übergibt, bekommt ganz automatisch ein Neues Leben, das Alte ist vergangen.
Wenn also ein Mensch zu Christus gehört, ist er schon »neue Schöpfung«. Was er früher war, ist vorbei; etwas ganz Neues hat begonnen. 2. Korinther 5:17
Aus der Gnade bedeutet, so wie wir es in Joh. 14, 6 lesen:
«Jesus antwortete: »Ich bin der Weg, denn ich bin die Wahrheit und das Leben. Einen anderen Weg zum Vater gibt es nicht.»
Durch das Opfer, das Jesus für alle Menschen am Kreuz gebracht hat, sind wir begnadigt worden und der Weg ist frei. Das wiederhole ich jetzt aber nicht nochmal, ihr wißt schon Siegertreppchen und so weiter.
Und doch ist dieser Weg keine Klassenfahrt auf einem Dampfer, mit Musik und viel Eis. Es gibt da einiges zu tun und jeder, ob ihr es glaubt oder nicht, jeder hat seine ganz spezielle Aufgabe. Ich stelle mir das ein bisschen so vor, wie diese ewig langen Tracks mit denen die amerikanischen Immigranten das Land besiedelt haben. Auch hier hatte jeder seinen Platz und seine Aufgabe. Wenn da einer ausfiel, riss das eine Lücke, die nicht immer gestopft werden konnte.
Unser Weg ist mindestens so gefährlich und voller Herausforderungen, aber wie bei den amerikanischen Siedlern, können wir das Ziel nicht sehen. Das tut auch gar nichts zur Sache. Beinahe würde ich sagen, Gott erwarten von uns, dass wir treu und loyal unserer Aufgabe gegenüber sind, dass wir unseren Weg gehen, uns bemühen das Ziel zu erreichen. Aber das trifft es irgendwie nicht.
Ich denke es ist etwas anders. Jeder Vater freut sich doch, wenn sein Kind das erste mal auf dem Fahrrad sitzt und losgurgt. Dabei kann er noch so sehr fordern, das Kind möge doch das Gleichgewicht halten. Wenn es das Kind nicht macht, dann macht es Krach und es liegt auf der Nase. Um aber vorwärts zu kommen und sich den Stolz des Vaters zu sichern, muss das Kind aber nunmal das Gleichgewicht halten lernen, und was wird es dabei für große Tränen vergießen ..
Das Eine geht nicht ohne das Andere. Wir können nicht auf Gottes Weg sein, wenn wir uns nicht auf das Neue Leben einlassen. Wir können nicht voran kommen, wenn wir uns nicht abschleifen lassen und das Wagnis eingehen, auch mal auf die Nase zu fallen. Wir werden Fehler machen, wenn wir nicht auf das was Gott uns sagt hören und unseren Dickkopf durchsetzen wollen.
Wir sind im übertragenen Sinn, genauso Gefangene unserer selbst wie Paulus Gefangener war. Aber Paulus lehrt uns auch, dass es durchaus möglich ist, selbst in Gefangenschaft seinem Auftrag nachzugehen. So wie er können wir darum beten und auch beten lassen. Deshalb ist Gemeinschaft wichtig!
Paulus war nicht alleine, er hatte treue Gefährden und er wußte, dass er sich auf sie verlassen konnte. So kann es in Gottes Gemeinschaft auch heißen, dass einer die Ermahnung ausspricht, wie Paulus im zweiten Teil des Epheserbriefes, und ein anderer oder mehrere andere bringen die Worte zu den Menschen.
Wir neigen oft dazu in 100% Fertigungstiefe zu denken, einer schlägt etwas vor oder beginnt mit etwas, also ist es selbstverständlich, dass er es auch macht bzw. beendet. Überspitzt und wirklich übertrieben dargestellt: einer wischt leichtfertig einen Tisch ab und weil ihm das so gut gelungen ist, ist er fortan der der sich um Saal und Treppenhaus und die Wohnung unten kümmert. Und das wäre doch grotesk, oder?
Ich überspanne den Bogen, weil ich etwas deutlich machen möchte. In der Gemeinde Gottes ist es genau umgekehrt wie in einem Team (Toll ein anderer macht's). Es sollte selbstverständlich sein, dass wir uns bei unseren Aufgaben unterstützen, der Blick ist also nicht: " .. na das hätte er aber schon besser hinbekommen können .. " sondern " .. warte ich kann das machen, ich helfe dir, das habe ich schon mal gemacht .. “.
Nichts anderes sagt uns Vers 2:
«Erhebt euch nicht über andere, sondern seid immer freundlich. Habt Geduld und sucht in Liebe miteinander auszukommen.» Epheser 4:2
Wo diese Worte nicht nur gelesen und gesprochen werden, sondern auch gelebt werden, weht ein ganz anderer, ein neuer Wind. Eher ein zarter Hauch an einem Frühjahrstag, die Sonne lacht, die Vögel kriegen sich vor Begeisterung gar nicht mehr ein und die gerade geschlüpften Frühlingsblüher verströmen ihren Duft. Dort möchte man gerne sein, genießt auch die Gemeinschaft mit anderen. Eigentlich, so sollte man meinen, ein Zustand den jeder gerne mag.
Das was Paulus hier anmahnt, ist zutiefst demokratisch und humanistisch. Aber wie sieht es in der Realität aus? Es gibt doch eigentlich keine Ecke in unserem Leben, in der es nicht einen gibt, der immer besser als alle anderen ist, der prinzipiell Bescheid weiß und das auch noch beeindruckend verbalisieren kann, dass wir es irgendwann tatsächlich glauben.
Nun könnte der geneigte Zuhörer, das seid ihr, einwenden: “was ist mit diesem Paulus, der belehrt und ermahnt uns doch auch nach Strich und Faden!“. Und ganz unumstritten war Paulus tatsächlich nicht und verlor sogar die Anerkennung. Man könnte das tatsächlich einwenden und ich schließe mich dem Zweifel an. Doch es gibt einen Unterschied, zu dem der sonst nichts anzubieten hat.
Paulus ist für das was er vertritt ins Gefängnis gegangen, er steht zu seinen Überzeugungen. Das was er uns versucht zu vermitteln und das recht behutsam wie ich finde, sind grundlegende Regeln, die für eine Einheit in der Gemeinde Gottes zwingend notwendig sind. Ich erinnere gerne nochmals an die Geschichte mit dem Fahrrad. Und das hat er erkannt.
In 2. Tim. 2, 24+25 lesen wir etwas davon, wie es aussehen könnte, wenn das mit dem gegenseitigen Respekt und der Freundlichkeit nicht klappt.
«Ein Mensch, der dem Herrn dient, soll aber nicht streiten, sondern allen freundlich begegnen. Er muss in der Lage sein, ihnen die wahre Lehre zu vermitteln. Er darf sich nicht provozieren lassen, sondern muss die Gegner verständnisvoll auf den rechten Weg weisen. Vielleicht gibt Gott ihnen die Gelegenheit zur Umkehr und lässt sie zur Besinnung kommen, sodass sie die Wahrheit erkennen.»
Das ist schon sehr konkret, finde ich. Auch zeigt uns Paulus hier einen noch ganz anderen Aspekt auf. Was ist, wenn Gott mit meinem Gegenüber etwas vor hat? Inwieweit mische ich mich in SEINEN Plan ein, wenn ich den anderen maßregle oder angreife? Kann ich meine Meinung, selbst wenn sie richtig ist, über den Anderen stellen?
Und das passiert dann leider auch. Nicht die Meinung des Anderen wird dann in Frage gestellt, sondern der Andere! Wie in dieser Situation Einheit bestehen oder entstehen soll erschließt sich mir nicht, Paulus offensichtlich auch nicht, deshalb hat er wohl diese Zeilen an die Gemeinde geschickt.
Den Ausweg aus diesem Dilemma gibt uns Paulus gleich mit auf den Weg. Dabei ist Verständnis für den anderen zu zeigen heute eine schwierige Kiste. Ich weiß nicht woran es liegt, aber manchmal verstehe ich manche Menschen nicht mehr. Ob es der übertrieben gepflegte Egoismus und der ständige Drang zur Selbstdarstellung und Selbstvermarktung ist, ich verstehe es nicht. So extrovertiert kann doch keiner sein.
Zumindest auf den ersten Blick. Oft ist es tatsächlich völlige Unbedenklichkeit, der/die haben einfach noch gar nicht darüber nachgedacht, auch ein erschreckendes Maß an Naivität kann man finden, bis hin zu verletzten Seelen, die nur noch trotzig und abwehrend reagieren.
In einem Lied von Heinz Rudolf Kunze heißt es:
«Erzähl mir nichts laß alles ruhen
geh keinen Schritt in meinen Schuhen
keine Vor- und Überschriften
weh denen die den Tag vergiften
ich will nichts hören ich will nichts fühlen
doch hör nicht auf mich zu umspülen
ich bin ein Stein das Flußbett brennt
ein weicher Stein den keiner kennt
das Herz ist alt die Nase voll
ein Stein den keiner werfen soll
ein Stein den keiner finden soll»
Eine recht treffende Beschreibung von Überheblichkeit und unserem fatalen Irrglauben über andere richten zu können. Aber auch von dem beständigen Versuch den anderen zu Verstehen. Keiner von uns kennt doch auch nur annähernd die Geschichte seines Nachbarn, Bruchstücke vielleicht, mehr nicht.
Aber wie fühlt er sich, der mir gegenüber steht?
Welche Träume hat er, wenn er denn noch welche hat?
Welche Ziele hat er für sein Leben?
Ist er zufrieden mit seinem Leben oder hätte er gerne etwas anders gemacht?
Es ist einfach über dem anderen zu schweben, den anderen zu tragen ist unvergleichlich schwerer, aber genau das ist es was Paulus anmahnt. Und das braucht wirklich viel Geduld. Was dabei aber auf jeden Fall helfen sollte ist die Erkenntnis, dass wir uns in Liebe annehmen können, weil auch Jesus uns in Liebe angenommen hat. Und wie wir wissen, waren da schon ein paar Gestalten dabei, Zöllner und Steuereintreiber, das Who's Who des schlechten Geschmacks, Menschen mit denen sich sonst keiner abgegeben hat.
Warum sollten wir also anfangen Menschen auszugrenzen, die sich wie wir zu Jesus bekannt haben. Der Weg ist aufeinander zu, nicht voneinander weg.
In Vers 3 fordert uns Paulus auf, die Einheit zu bewahren. Aber woher kommt die Einheit? Diese Frage ist nicht nur berechtigt, sie ist auch wichtig. Deshalb hat Paulus die Antwort schon gleich selbst gegeben, aber warum?
Ich halte es für eine Wesentliche Eigenschaft der Gemeinde Gottes. Sie entsteht ja nicht zufällig, sondern basiert auf einer Berufung des Gläubigen. Der beginnt ein völlig Neues Leben und lebt neu durch den Heiligen Geist. Die Kraft, die in uns wirkt, schafft Frieden und die Einheit aller Geschwister der Gemeinde Gottes. Es ist das unsichtbare Band das uns zusammen hält.
Und doch, kann es zerreißen und damit ist auch die Einheit in Gefahr. Damit dies nicht geschieht, sind wir jeden Tag neu gefordert, aufeinander und das Band des Friedens zu achten. Das soll nicht heißen, dass wir nun alle Probleme unter den heiligen Teppich kehren, im Gegenteil. Es soll heißen Probleme bewußt mit Verständnis füreinander, respektvoll, in Demut und in Frieden aus der Welt zu schaffen. Es darf unterschiedliche Meinungen geben, aber der gemeinsame Weg darf nicht aus den Augen geraten. Ein erster Ansatz ist, Verständnis für den anderen aufzubringen.
Wir sehen an der Gemeinde in Korinth, wie schwer es sein kann die Einheit und den Frieden in der Gemeinde zu erhalten. Im Bibellexikon heißt es dazu:
«Schnell breitete sich der Streit über alle Gebiete des Glaubens und des Lebens aus und zerreißt die Gemeinde. Da greift der Brief ein und sucht die Gemeinde wieder auf den einen Grund zu stellen, auf dem aller Streit unmöglich wird.»
Gemeint ist hier der 1. Korintherbrief. Ein vermutlicher Besuch des Paulus in Korinth nach dem 1. Brief, hinterließ äußerlich keinen Erfolg, das hat wohl Paulus dann dazu veranlasst einen zweiten Brief zu schreiben. Es dauerte noch bis die Korinther zur Umkehr fanden und wir lesen in 2. Kor. 7, 6+7 wie froh er über die Wandlung und das offenen Bedauern der Streithähne war.
Wie wir nun die Einheit erreichen und erhalten können, lesen wir in einer ganzen Reihe Kapiteln der Bibel, es zieht sich wie ein roter Faden durch die Texte.
1. Kor. 12, 25+26 passen besonders gut zu unserem Text:
«Denn er wollte, dass es keine Uneinigkeit im Körper gibt, sondern jeder Teil sich um den anderen kümmert. Wenn irgendein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit. Und wenn irgendein Teil geehrt wird, freuen sich alle anderen mit.»
Ich finde das Beispiel besonders griffig und jeder kann sich darunter etwas vorstellen. Der “Leib Christi” kann ja genauso erkranken wie unserer. Und was das bedeutet brauche ich wohl keinem erklären.
Wenn ich es richtig verstehe, und ich bin mir sicher dass es theologische Begründungen gibt die es anders darstellen, will Gott die Einheit aller Menschen. Liturgien, was wird wann wie gelesen, die kleinen Unterschiede eben, sind völlig nebensächlich und sogar gefährlich, wenn sie die Einheit bedrohen.
Die Realität zeigt leider, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Aber und das wiederum ist eine gute Nachricht; wer nach der Einheit sucht und nicht abläßt, ganz so wie uns Paulus ermahnt, der wird sie auch finden. Zuerst aber laßt uns bei uns selbst beginnen. Die Einheit zwischen Ehepaaren, in der Familie, mit den Arbeitskollegen und auch in unserer Gemeinde. Denn nur wer “gesund” ist kann Kranke heilen.
Abschließend möchte ich das Gesagte in einem Satz zusammen fassen:
Ein Jeder lebe so, dass er der Grund für das Lächeln im Gesicht seines Nächsten ist.
Amen